Brauchen wir das Recht, von zu Hause aus zu arbeiten?

Der deutsche Arbeitsminister Hubertus Heil will Arbeitnehmern das Recht auf Fernarbeit geben. Aber die CDU und andere zweifeln an der wirtschaftlichen Machbarkeit. Berechtigte Gründe finden sich auf beiden Seiten des Arguments.

Ein junger Mann mit einem Computer auf dem Schoss sitzt auf der Fensterbank eines Berliner Mietshauses

Die Möglichkeit, 24 Tage im Jahr aus der Ferne zu arbeiten: Das wünscht sich Arbeitsminister Hubertus Heil für deutsche Arbeitnehmer. Mit seinem neuen Gesetzesentwurf, dem Mobilitätsgesetz, sorgt er für Aufsehen in der großen Koalitionsregierung aus SPD und CDU. Die CDU kritisiert den Gesetzentwurf als unvereinbar mit einem Koalitionsvertrag und lehnt ihn entschieden ab. Doch Heil hat in den eigenen Reihen Unterstützung gefunden.
Eine Grafik, die zeigt, wie hoch der Anteil der Arbeitnehmer in Deutschland ist, die die Möglichkeit haben, von zu Hause aus zu arbeiten, und zu welcher Tageszeit Telearbeit geleistet wird

Der parlamentarische Geschaeftsfuehrer der SPD-Bundestagsfraktion, Carsten Schneider, unterstuetzte den Heil’schen Gesetzentwurf mit den Worten: „Das ist es, was wir wollen. Das ist unser Angebot an die CDU“.

Die Uneinigkeit in der Großen Koalition wirft die Frage auf: Sind Gesellschaft, Politik und Wirtschaft in Deutschland bereit für ein solches Gesetz? Was sind die Argumente für – und gegen – die Fernarbeit?
Ist Fernarbeit auf Dauer wirtschaftlich tragfähig?

Wenn ein Unternehmen seine Mitarbeiter dauerhaft von zu Hause aus zur Arbeit schicken würde, könnte es eine beträchtliche Menge an Betriebskosten und Kosten für Büroräume einsparen. Unterdessen sparen die Mitarbeiter Geld und Zeit, weil sie nicht zur Arbeit pendeln müssen. Eine Win-Win-Situation, möchte man meinen.

Doch so einfach sei das nicht, sagt Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte am arbeitgeberorientierten Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. „Was wir während der Coronavirus-Krise erlebt haben, ist nicht die Norm. Künftig wird es wahrscheinlicher sein, dass ein Arbeitnehmer neben einem Arbeitsplatz im Unternehmen auch einen Arbeitsplatz zu Hause hat“, sagt Oliver Stettes, Arbeitsmarktexperte am arbeitgeberorientierten Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln. Dies wäre auch im Heil’schen Mobilitätsgesetz der Fall.
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Wie man erfolgreich von zu Hause aus arbeitet

Der Minister weist darauf hin, dass der Arbeitgeber in Zukunft auch die „Betriebsmittel“ – zum Beispiel einen Schreibtisch oder einen Laptop – zur Verfügung stellen muss. Rechtlich werde das Arbeiten aus der Ferne immer mehr zur Telearbeit, behauptet Stettes. Das heißt, sie fällt unter die Arbeitsplatzregelung des Arbeitsschutzgesetzes.

Nach dieser Vorschrift müssen Arbeitsplatzausrüstung und Arbeitsmaterialien vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden. „Die Bürokosteneinsparungen, die Sie vielleicht sehen, weil Sie 100 Personen auf 80 Arbeitsplätze verteilen können – weil die Leute vielleicht einen Tag in der Woche von zu Hause aus arbeiten – werden dann schnell auf Null reduziert“, sagt Stettes.

Kein Wunder also, dass Heil’s Vorschlag von der Wirtschaft nicht gut aufgenommen wird, die in Zukunft möglicherweise für zwei Arbeitsplätze pro Mitarbeiter aufkommen muss. Abeitsrecht Breuer